Schweizer Geschichte

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Absinthverbot

Anstoss zum Verbot war das Verbrechen eines jungen Weinbergarbeiters in Commugny, der am 28. August 1905 seine schwangere Frau und seine zwei Töchter – angeblich im Absinth-Rausch – erschossen hatte. Obwohl jedem bekannt war, dass der «Absinthmörder» täglich mehrere Liter Wein konsumierte und in der Tatnacht lediglich 2 Gläser Absinth getrunken hatte, wurde damit eine Volksbewegung gegen Absinth in Gang gesetzt.

Doch der eigentliche Grund für ein Absinthverbot war vielmehr ein Politikum. Anfang des 20. Jahrhunderts stiegen die Weinpreise während die Absinthpreise sanken, so dass viele Weinanbauer und Weinhändler um ihre Existenz fürchteten. Der Absinth war der Weinindustrie ein Dorn im Auge.

So kam es, dass dieses Verbrechen 1906 bzw. 1907 zu Verbotsgesetzen in den Kantonen Waadt und Genf führte. Die von Vertreterinnen und Vertretern der Abstinenzbewegung lancierte Volksinitiative vereinigte die Rekordzahl von 167’814 Unterschriften. Die Mehrheit des Parlaments wie auch der Parteien stellte sich hinter die Initiative. Mit 241’048 zu 138’669 Stimmen wurde die Vorlage am 5. Juli 1908 vom Volk gutgeheissen (Art. 32ter der Bundesverfassung).

Das Gesetz trat am 7. Oktober 1910 in Kraft. Seither ist die Produktion, Lagerung und der Handel von Absinth per Bundesverfassung verboten. Nicht explizit untersagt, also erlaubt, ist hingegen der Konsum. Mitunter ein Grund, dass der verbotene Wermut-Schnaps bis heute überlebt hat. Im Geheimen werden im Neuenburger Juratal Val-de-Travers jährlich noch über 15’000 Liter Absinth gebrannt und getrunken.

Ursprung der «grünen Fee»

Der Ursprung des grünen Wermutbrands liegt in der Schweiz, genauer im Val-de-Travers. Henriette Henriod erfand und entwickelt das Getränk, das auch als Medikament gehandelt wurde. 1797 gründeten Daniel-Henri Dubied, sein Sohn Marcelin und sein Schwiegersohn Henri-Louis Pernod eine Absinthbrennerei in Couvet und begannen den Schnaps auf breiter Grundlage zu vermarkten. Aufgrund des grossen Erfolgs machte sich Pernod bald selbstständig und eröffnete 1805 in Pontarlier (F) eine Fabrik, in der als erstes Absinth industriell hergestellt wurde. Die Fabrik entwickelte sich rasch zum Grossbetrieb und blieb auch später die grösste Brennerei in Frankreich. In Val-de-Travers wurde der Wermutanbau zur wichtigsten Einnahmequelle. Absinth entwickelte sich zum Bestseller.

Über ein ganzes Jahrhundert wurde fleissig in ganz Europa Absinth konsumiert. Doch dann kam immer mehr der Verdacht auf, Absinth führe zu Epilepsie und dem Hang zu Wahnsinn und Selbstmord. Kein Wunder, denn oft wurde minderwertiger Alkohol verwandt – und zu hochprozentiger. Im Gegensatz zum heute etwa fünfzigprozentigen Getränk wurde streckenweise bis zu achtzigprozentiger Absinth ausgeschenkt.

Absinth - die grüne FeeDen grössten Zuspruch fand Absinth seit jeher bei Künstlern und Intellektuellen. Diese tranken ihn nicht nur bei jeder Gelegenheit, sondern experimentierten mit seiner Wirkung, liessen sich vom Rausch inspirieren, gaben sich der Wahrnehmungsveränderung hin. Zu den namhaftesten Absintheuren zählten Baudelaire, van Gogh, Toulouse-Lautrec, Oscar Wilde, Picasso und Hemingway. Von der Beliebtheit, deren sich Absinth in diesen Kreisen erfreute, zeugt nicht nur so manche Anekdote oder Legende – so soll sich van Gogh im Absinthrausch ein Ohr abgeschnitten haben. Der Dichter Paul Verlaine soll seinen Dichterfreund Rimbaud, im Absinthrausch niedergeschossen haben. Man sagt, es erscheint einem spätestens nach dem dritten Glas eine grüne Fee.

 

Dem Absinthverbot in der Schweiz folgten unter anderem 1914 Frankreich, 1923 Deutschland und Italien, 1930 schloss sich Tschechien an. Erst im Jahre 1998 wurde das Verbot von Absinth in den EU-Staaten durch eine EU-Verordnung aufgehoben. Die Höchstmenge der Substanz Thujon ist jetzt streng begrenzt, so dass jeder Absinth heute ohne Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen geniessen kann.

Herstellung
Absinth ist eine aus dem Wermutkraut – deren Bestandteil Thujon ist – hergestellte Spirituose. Da aber Wermut einen so bitteren Geschmack hat, wurden Zusätze wie Sternanis, Fenchel und andere Kräuter beigemischt. In der Schweiz wurde das Gewürz Ysop hinzugegeben. Charakteristisch für Absinth ist, dass bei der Verdünnung mit Wasser oder Eis eine milchig-grüne Trübung erfolgt.

Wirkung
Die Wirkung von Absinth ist gleichermassen berauschend, euphorisierend, anregend und stimulierend. Diese resultiert aus dem Zusammenspiel von hohem Alkoholgehalt und dem beinhaltetem Thujon. Als starkes Nervengift ruft Thujon epileptische Krämpfe hervor und kann bei chronischem Missbrauch zur Verblödung führen. Bei den vormals sehr hohen Thujonmengen soll es eine halluzinogene Kraft entfaltet haben. Dies scheint begründet, da Thujon grosse Ähnlichkeit mit dem Wirkstoff der Cannabispflanze aufweist.

Oskar Wilde schilderte die Wirkung einmal so: Das erste Stadium ist wie normales Trinken, im zweiten fängt man an, ungeheuerlich grausame Dinge zu sehen, aber wenn man es schafft, nicht aufzugeben, kommt man in das dritte Stadium, in dem man Dinge sieht, die man sehen möchte, wundervolle sonderbare Dinge.

Am 1. März 2005 wurde das Absinthverbot nach fast 100 Jahren auch in der Schweiz wieder aufgehoben.